Heyhey, heute möchte ich einige Gedanken zum Schreiben eines Tabletop-Szenarios auf Basis einer historischen Schlacht mit euch teilen.
Ursprünglich sollte dies Teil eines Spielberichts sein, der demnächst erscheinen wird, aber ich dachte, ich mache daraus einen Artikel für sich. Ansonsten wäre der Spielbericht noch länger geworden, als er ohnehin schon war. Außerdem denke ich, dass das Thema ganz allgemein recht interessant sein könnte.
Man kennt die Situation. Man sitzt in geselliger Runde, und auf einmal ertönt ein Ruf: „Verbringen wir ein paar Stunden unserer spärlichen Freizeit damit ein nettes Miniaturentabletopspiel zwischen ehrenwerten Leuten auszutragen!“ (so oder so ähnlich). Hände werden geschüttelt, Figuren werden rausgeholt, alle sind begeistert…
…und dann?
Die Möglichkeiten
Nun, zunächst einmal könnten wir uns ein generisches Szenario hernehmen. Die gibt’s meistens in Regelbüchern. Außerdem gibt’s noch ausgezeichnete Bücher in denen Szenarien zu finden sind, oder Zeitschriftenartikel, wie die von Henry Hyde in Wargames, Soldiers and Strategy Magazine und anderswo veröffentlichten oder die Klassiker von C.S.Grant und seinen Freunden.
Dann gibt’s natürlich Bücher/PDFs/Hefte mit fertig gestalteten Szenarien für allerlei Konflikte oder Settings.
Meistens sind diese für ein bestimmtes Regelwerk geschrieben, aber sofern sie nicht absichtlich kryptisch geschrieben und stark abstrahiert sind, lassen sie sich leicht an andere Regelwerke anpassen.
…Und Dann Gibt’s den Interessanten Weg
Manchmal stolpert man beim Nachlesen über eine Schlacht oder taktische Situation, die die Aufmerksamkeit erregt. Und man beginnt zu überlegen, wie man das nachspielen könnte. Genau darüber möchte ich heute sprechen.
Inspiration
Vor einigen Jahren kaufte ich ein kleines Buch über Christian von Braunschweig, einen Heerführer während des Dreißigjährigen Krieges. Vor einiger Zeit habe ich es mir noch einmal angeschaut, nachdem ich ein (vorgefertigtes) Szenario in dem’s unter anderem um ihn ging gespielt hatte. In dem Buch fand ich eine gute Karte und Schlachtordnung für die Schlacht von Höchst (20. Juni 1622), die mich auf die Idee brachte, diese Schlacht zu spielen.
Ich wollte ohnehin die In Deo Veritas Regeln nochmal ausprobieren, und das war eine gute Ausrede sich weiter in das Thema einzulesen.
Recherche
Das Problem ist, dass keines der Szenariobücher, die ich besitze, etwas über diese Schlacht enthält, also habe ich einfach die Karte und die Schlachtordnung aus diesem Buch verwendet. Das ist nützlich und alles, aber es finden sich immer Lücken, die es zu füllen gilt. In der Regel ist das erste wo ich nachschaue Wikipedia. Nicht die beste Quelle, aber nicht verkehrt, um sich eine Übersicht zu verschaffen. Zwischendurch lohnt es auch, immer wieder zum Wikipedia-Artikel zurückzuschauen.
Wenn man historische Schlachten auf den Spieltisch befördern möchte sind die Playbooks/Szenariobücher/etc. von GMT für ihre Hexfeld-Kriegsspiele unschätzbare Informationsquellen. Die meisten davon sind online verfügbar (Daumen hoch für GMT). Für die Schlacht von Höchst habe ich das Playbook zu Saints in Armor verwendet, das detaillierte Informationen zu mehreren Schlachten der frühen Phase des Dreißigjährigen Krieges enthält.
Darüber hinaus habe ich mir noch ein paar weitere Websites und Blogs angeschaut (ein Hoch auf Wargamer, die ihren Spielberichten Schlachtordnungen hinzufügen) und so weiter.
Es lohnt sich auch, einen Blick in die Foren für Strategie-Videospiele zu werfen. Es gibt einige weitere Hardcore-Strategiespiele (wie z.B. Pike&Shot, verfügbar auf Steam), die mit mehreren vorgefertigten historischen Szenarien ausgestattet sind oder bei denen Fans ihre eigenen Szenarien auf der Grundlage historischer Schlachten erstellen. Ein Teil dieser Fans verfasst auch After-Action-Berichte dieser Spiele mit Screenshots, die dem Miniaturenspieler einen kleinen Einblick geben, wie ihr Spiel aussehen könnte, Truppenaufstellung, und so weiter. Natürlich wird die Figurenversion schöner aussehen als ein Videospiel, aber das ist selbstverständlich. 😉 Zur Schlacht von Höchst im Speziellen hab ich nichts gefunden, habe aber Informationen aus solchen AARs schon für frühere Szenarien verwendet.
Natürlich sind Qualität und Quantität der Quellen je nach Zeitraum und Konflikt sehr unterschiedlich. Vom 18., 19. Jahrhundert an haben wir großartige Karten und eine überwältigende Menge an ziemlich genauen Quellen. In den Sachen aus dem frühen 17. Jahrhundert, in denen ich gewöhnlich größere Schlachten führe, ist ein Kupferstich von Merian das höchste der Gefühle. Großartige Kunstwerke, die aber mehr daran interessiert waren, die Eckpfeiler-Events der Schlachten in einem Bild zusammenzufassen, als uns genaue Positionen, Geographie oder die Anzahl der beteiligten Kämpfer anzugeben.
Hier ist eines der brauchbarsten zeitgenössischen Bilder, das ich jemals gefunden hab. Letztes Jahr hab ich es als Basis für ein Spiel mit dem Thema „Schlacht von Wittenweiher“ verwendet:
Wie machen wir daraus ein Spiel?
Meine Hauptquellen waren also das SiA-Playbook und das Buch über Christian von Braunschweig. Aus diesen Informationen erstellte ich eine Liste der Einheiten, die an diesem Tag im Feld waren und wie sie aufgestellt waren. Dies gab mir Überblick über das Ganze. Nun ging es daran die Informationen in eine spielgerechte Form zu bringen. In diesem Fall waren die Spielregeln der Wahl In Deo Veritas. Unkomplizierte Spielregeln. Das hilft auf jeden Fall.
Eine Übersicht über die benötigten Einheiten zusammenzuschreiben hilft euch auch, das Szenario auf eure Figurensammlung abzustimmen. Also sah ich mir die Liste der Einheiten an und versuchte herauszufinden, wie ich sie zusammenschrumpfen kann. Soweit ich weiß, nennt man das „bathtubbing“. Das Schrumpfen der Einheiten/Figuren-zu-Mann-Verhältnis/Spielfläche/etc., so dass sich das Ganze mit eurer Sammlung bzw. der verfügbaren Spielfläche ausgeht.
Zu meiner großen Freude stellte ich fest, dass ich gerade genug Figuren hatte, um jede einzelne Einheit darzustellen, die an der Schlacht teilgenommen hat. Cool, cool, cool. Sicher, ich müsste alle meine Kavallerieeinheiten mobilisieren und ich würde ein bisschen tricksen müssen (wie z.b. leichte kroatische Kavallerie als Arkebusiere aufstellen), aber das ist okay. Wenn die Maße der Einheit stimmen und die Modelle unten 4 Hufe und oben einen menschlichen Kopf (mit Helm oder Hut) haben, reicht mir das.
Für einige Szenarien müssen jedoch spezielle Teile angefertigt werden. Im Falle dieses Szenarios brauchte ich zwei verschanzte Brigaden von Musketieren.
Vorbereitung
Schanzen sind etwas, was ich ohnehin schon vor langer Zeit hätte machen sollen. Das erste, was mir vorschwebte, war natürlich eine richtige Bastion. Das wäre ein schöner Mittelpunkt für ein Szenario (sogar in 10 mm, was die von mir verwendete Figurengröße ist), aber ehrlich gesagt ist es einfach nicht praktisch, um einzelne Einheiten als verschanzt darzustellen. Stattdessen habe ich mich stattdessen auf ziemlich einfache Feldbefestigungen beschränkt. Schließlich wurden all diese Schanzen in dieser Schlacht nur innerhalb eines Tages oder so ausgehoben. Es sind also nur Erdhaufen, Schanzkörben und vielleicht ein paar Holzbretter und -Steher zum Stabilisieren.
Okay, es hat eine ganze Weile gedauert (vor allem, alle Schanzkörbe aus Green Stuff zu basteln), aber da sind sie nun. Zwei Geländeteile, jedes groß genug für eine Einheit Infanterie oder zwei Geschützbatterien.
Der spezifische Geschmack
Nachdem das erledigt war, habe ich mir noch einmal die Anzahl der Einheiten angesehen und wie ich sie innerhalb der Spielregeln definiere. Dabei kann man sich Ereignisse/Umstände angesehen, in denen sich Einheiten in dieser speziellen Schlacht befanden, und entschieden, ob und wie man sie in das Spiel integriert.
Beispielsweise wurden bei der Schlacht bei Höchst viele Musketiere auf beiden Seiten von ihren Einheiten (die normalerweise zu etwa 2/3 aus Musketieren und 1/3 aus Pikenieren bestanden) als leichte Infanterie oder zur Bewachung von Gräben oder anderen Hindernissen abgezogen. Daher habe ich die Feuerkraft bei jeder der verbleibenden Infanterieeinheiten reduziert (als visuellen Hinweis hab ich im Spiel dann eine kleinere Anzahl von Musketieren zu jeder Einheit gestellt).
Ein weiteres Beispiel: Mehrere der Einheiten trafen kurz nach einem Gewaltmarsch in den vergangenen ein oder zwei Tagen ein. Bei diesen Einheiten habe ich im Spiel die Angriffskraft im Nahkampf etwas reduziert. Die Männer sind erschöpft, sie sind weniger aggressiv.. Wie genau wir diese Umstände in Spielbegriffe umsetzen, liegt an uns und an den Regeln, die wir verwenden. Genauso gut könnte man erschöpfte Einheiten darstellen, indem Sie sie das Spiel in einem Zustand der Unordnung/Müdigkeit/Schock beginnen, oder mit einem Malus auf Moral, oder die Aktivierung der Einheit wird schwieriger.
Das Ziel im Auge behalten
Diese kleinen Modifikatoren dienen natürlich nicht nur dazu dem Spiel einen gewissen Pfiff zu verleihen, sondern auch um hie und da die Kräfte etwas auszubalancieren. Immerhin wollen wir das Ding zu einem spannenden, unterhaltsamen Spiel machen. Der Ansatz eine perfekte Simulation oder Nachstellung der Schlacht zu schaffen ist natürlich auch zulässig und sehr spannend. Wie genau wir das Ganze anlegen ist ganz uns überlassen. Am Ende wird es immer ein Kompromiss sein.
Für mich war das Ziel im Grunde nur ein hübsch aussehendes Solospiel als Test für größere Schlachten in In Deo Veritas. Dementsprechend hab ich alles simpel gehalten. Kompliziert wird alles ohnehin von selbst.
Auf den Tisch damit!
Nachdem ich die Schlachtordnung für mein Szenario ausgearbeitet hatte, ging es daran, den Tisch aufzubauen. Dazu hatte ich ja die Karte aus dem Heere&Waffen-Band. Ich zog auch zeitgenössische Darstellungen zuhilfe, aber die waren nicht wahnsinnig hilfreich (siehe oben).
Ich hatte vor, viel mehr Kommandos als gewöhnlich zu verwenden (basierend auf meiner Erfahrung mit dem vorherigen Testspiel der IDV-Regeln und angesichts der Tatsache, dass ich diesmal VIEL mehr Einheiten einsetzen würde), und dass ich nicht genug Kommandantenfiguren besaß. Ups. Also nochmal schnell zurück an den Maltisch.
Nicht perfekt, und sicherlich nicht besonders inspiriert, aber sie sind spielbereit.
Gut, zurück an den Spieltisch.
Jetzt kann’s aber wirklich losgehen!
Hier meine Skizze der verschiedenen Kommandos. Die hab ich angefertigt nachdem mir klar geworden war, dass ich es nie und nimmer schaffen würde mir in der Hitze des Gefechts zu merken wer wer ist, und wo:
…und das war’s.
Natürlich kann man für jeden dieser Schritte mehr Zeit aufwenden. Oder weniger. Dieser Artikel soll lediglich dazu dienen aufzuzeigen, wie die Szenariengestaltung angegangen werden kann. Es macht Spaß, es ist nicht allzu viel Arbeit (je nachdem, welche Quellen wir zur Hand haben), und es trägt wirklich dazu bei, einem Spiel Tiefe zu verleihen
Könnte man meine Interpretation der Schlacht von Höchst so abdrucken und reich und berühmt werden? Natürlich nicht. Es ist nur so ein netter Zeitvertreib von fragwürdiger „Ausgewogenheit“ und historischer Genauigkeit. Aber für mein Ziel ein interessantes und unterhaltsames Spiel auf den Tisch zu stellen hat’s gereicht.
Erkenntnisse aus dem Spiel
Nach dem ersten Solo-Versuch, denke ich, dass ich für die Zukunft hier und da kleine Änderungen vornehmen am Szenario vornehmen würde. Vielleicht war ich zu besorgt darüber, dass das Szenario für den Angreifer zu einfach sei. Also war es am Ende etwas zu einfach für die Verteidiger, glaube ich. Also daran könnte man noch schrauben. Ich habe gelesen, dass die protestantische Infanterie bei Höchst mit einer unzureichenden Anzahl von Piken bewaffnet waren. was ihre Nahkampfstärke (gerade gegen Kavallerie) verringerte. Eine andere Möglichkeit wäre, die spanischen Tercios und das Ligistenregiment Schmidt zu Veteranen zu machen.
Ich hoffe, dass euch dieser Artikel gefallen hat und dass er euch vielleicht inspiriert hat auch mal sowas zusammenzuschreiben. Das Internet bietet unglaublich viel an Informationen. Wenn man das Ganze mit ein, zwei guten Büchern unterfüttert kann man ohne große Probleme Schlachten nachstellen oder interessante Szenarien finden.
Übrigens, gleich nachdem ich das Szenario fertig geschrieben hatte (und zwar wirklich am Abend danach), ist unerwartet ein neues Szenarienbuch für Twilight of Divine Right erschienen, in dem – natürlich – die Schlacht von Höchst zu finden war. Das macht nichts. Recherche ist niemals Zeitverschwendung, und außerdem war es besonders interessant zu schauen, wie der Autor von meiner Interpretation der Schlacht abwich.
Vielen Dank für’s Lesen. Nächste Woche gibt’s dann den Spielbericht zu der Schlacht von Höchst!
Sehr interessantes Thema. Ich will eher in die napoleonische Ära gehen aber auch da gibt es ja in den Jahren der Koalitionskriege unendlich viele Schlachten die geschlagen wurden und die man wahrscheinlich nie in einem Szenario Buch finden wird. Deine Gedankengänge sind auf jeden Fall hilfreich und werde ich mir auf jeden Fall noch einmal zu Gemüte führen, wenn ich irgendwann mal dieses, für mich, heikle Thema angehe. Sprich mal endlich die Püppies bemale 😉
Yeah, also ich weiß nicht inwieweit das ganze Geschreibsel hier extrem nützlich ist, aber solange es hie und da wen auf die Idee bringt sowas selbst mal auszuprobieren bin ich zufrieden. 😉 Wie gesagt, die Quellenlage ist ganz unterschiedlich. Für antike Schlachten weiß ich nicht ob man sowas überhaupt machen kann, für’s 18./19./20. Jahrhundert geht das sicher sehr gut. Ich hab das z.B. beim guten Cpt.Shandy schon oft gesehen, mit seinen haarklein recherchierten Skirmishszenarien im amerikanischen Bürgerkrieg für Sharp Practice 2. Und bei Napo-Geschichten geht das glaub ich auch ganz gut, besonders bei Schlachten. Und wir haben ja den dicken Vorteil, dass wir sowohl deutsch- als auch englischsprachige Quellen anzapfen können (gebildetere Menschen als ich sogar noch mehr).
Ich habe auch schon das ein oder andere Szenario für den ACW geschrieben oder vorgefertigte Szenarios für unsere Zwecke (System, Maßstab, vorhandenes Gelände etc.) angepasst. Irgendwie ist das schon die erste Liga des historischen Wargamings. Sowas sollte man einfach mal ausprobieren, denn für irgendwas malen wir die Figuren ja schließlich an. 😁
Heho, danke für den Kommentar! 🙂 Absolut wahr. Gerade wenn man solo spielt (ohne wirkliche Soloregeln zu verwenden) kann man sich so das Spiel spannender machen. Ich selbst bin ja nur durch den Cpt.Shandy dazu angespornt worden, der seit Jahren scheinbar ausschließlich adaptierte historische Szenarien für Sharp Practice und Over Malvern Hill verwendet. (Gibt’s hier nachzulesen: https://wargamingraft.wordpress.com/ ).
Donnerwetter, welch ein hilfreicher Artikel!
Da ich auch in der napoleonischen Epoche und mit einem (in meiner Gegend) unterrepräsentierten Regelwerk und Maßstab (Kugelhagel in 1:72) solo unterwegs bin, ist dieser Artikel für mich unglaublich motivierend und hilfreich 🙂
Danke dir für deine Mühen.
Es geht mir beim Erstellen eines Szenarios auch weniger um absolute historische Genauigkeit, als viel mehr um ein spannendes Hin und Her auf meinem Spieltisch. Aber je mehr Tiefe ich da reinbekomme, umso besser.
Glücklicherweise hat mein Lieblingssystem gut funktionierende Solo-Regeln.
Mit deinen Tipps kann ich da in Zukunft viel mehr herausholen 🙂
Oh, danke für den Kommentar! 😀 Ja, es geht auch immer darum, was genau man spielen möchte. Wenn man das Ganze nur solo angeht, kann man sich nach anderen Richtlinien orientieren, als wenn zwei oder mehr Spieler beteiligt sind. So oder so, besten Dank. 🙂