Heute schau ich mir mal die Ronin-Spielregeln von Craig Woodfield an. Schon vor dem Release im August 2013 gab’s großen Buzz im Vorfeld. North Star haben einige Figuren rausgebracht. Schauen wir mal, was die Regeln können.
Ronin – Skirmish Wargames in the Age of the Samurai, wie der ganze Titel lautet, versucht kleine Scharmützel zwischen kleinen Kriegerbanden im feudalen Japan darzustellen. Genauer gesagt während der Sengoku-Zeit im späten 16.Jahrhundert.
Die Anzahl der Figuren pro Seite liegt zwischen 8 und 20, also wirklich nur Kriegerbanden.
Die Tischgröße wird mit zwischen 2’x2′ und 4’x’4 angegeben, abhängig von Größe und Anzahl der Figuren. So oder so, ein recht kleiner Tisch von 4’x4′ wird ausreichen. Größer ist natürlich immer hübscher.
Ich muss zugeben, dass ich kein großer Fan des Titelbildes bin. Osprey haben soweit ich weiß Zugriff auf ein gigantisches Archiv von unheimlich hübschen, farbenfrohen Illustrationen zu mittelalterlichen japanischen Kriegern und Kampfszenen. Bin mir nicht sicher, weshalb so ein düsteres und irgendwie unattraktives Bild gewählt wurde. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Ich versteh schon, dass sie bisschen mehr in Richtung Banditen gehen wollten bei diesem Spiel, aber trotzdem – nicht mein Fall.
Das Layout gefällt mir schon besser. Erst kommt ein kurzes Kapitel das uns mit dem historischen Hintergrund vertraut macht.
Schreibe eine Beschriftung…
Das Buch umfasst 64 Seiten, ist soft-cover und vollfarbig. Der Text ist leicht lesbar und verständlich abgefasst. Die Bilder sind alle aus Ospreys Archiv bzw. Fotos der von North Star speziell veröffentlichten Figuren: Sohei, Koryu, Bushi und Banditen. Ein paar Jahre später haben sie dann noch Ming-Chinesen und Koreaner nachgeschossen.
Die Regeln selbst umfassen 17 Seiten (inklusive Spezialregeln für Bannerträger, berittenen Kampf und Spezialfähigkeiten).
Darauf folgen die „Armeelisten“ für acht verschiedene Fraktionen, plus Söldner, Szenarios und kleinere Zusätze wie simple Kampagnenregeln, Ideen für Turnierspiele und einige erweiterte Regeln. Außerdem gibt’s zusätzliche Regeln für Spiele in der Kikamura-Zeit (~1185-1330; hauptsächlich geht’s um die Mongoleninvasionen auf Japan) und die späte Edo-Zeit (Ende des 19.Jahrhunderts; also Tom Cruise gegen Samurai und eine halbe Stunde später Tom Cruise gegen die neue japanische Armee :-P)
Die Regeln
Ein Spielzug ist in mehrere Phasen unterteilt:
Prioritätsphase
…in welcher ermittelt wird welcher Spieler zuerst zieht und in der Moraltests gewürfelt werden. Jedes Buntai (Kriegerbande) hat einen Moralwert. Und bestimmten Umständen (Anführer wird getötet, hohe Verluste innerhalb eines Zuges, generell hohe Verluste). Es gibt drei Moralwertszustände: Standhaft, Wankend, auf der Flucht. Ist dein Buntai standhaft tun die Krieger was du möchtest. Wankende Krieger müssen einen Moraltest schaffen um in den Nahkampf zu gehen, und ist deine Bande auf der Flucht müssen die Krieger bei Aktivierung einen Test bestehen um nicht in Richtung Spieltischkante zu laufen.
Der moralische Zustand der Bande lässt sich allerdings wieder verbessern, sofern nicht mehr schlimme Dinge passieren und man einen Test schafft.
Bewegungsphase
…in der die Spieler abwechselnd einzelne Figuren aktivieren, die dann bewegen, laufen, ODER eine Schusswaffe abfeuern können. Um in den Nahkampf zu stürmen muss man sich nur in Basekontakt mit einem gegnerischen Modell bewegen. Es gibt keine Angriffsreaktionen, allerdings kann eine Figur ihre Aktivierung nutzen um einen Nahkampf zu verlassen (könnte sich dabei allerdings eine Attacke einfangen).
Kampfphase
…in der Figuren die sich in Kontakt befinden einen Nahkampf ausfechten. Und hier wird Ronin interessant, denn es kommt der Kampfpool in’s Spiel. Jeder Krieger hat einen Kampfpool von 2 bis 5. Wenn zwei Figuren kämpfen verteilen beide Spieler geheim ihre Kampfpool-Punkte auf Offensive und Defensive. Dazu nehmen sie im Geheimen z.B. verschiedenfarbige Marker aus einem Beutel. Danach wird gleichzeitig aufgedeckt wie die jeweiligen Kampfpools verteilt wurden, es wird Initiative gewürfelt, und das erste Modell ist dran. Möchte das Modell angreifen kostet dies einen Offensiv-Marker aus dem Pool. Die Attacke (oder Abwehr) kann durch’s Ablegen weiterer entsprechender Marker verstärkt werden. Überlebt der Verteidiger darf er angreifen. Dies wird wiederholt bis einer der Kämpfer ausgeschaltet wird, oder keiner der Kämpfer mehr Marker in seinem Kampfpool hat.
Attacken werden durch vergleichende Würfe ausgetragen. Erzielt der Angreifer einen höheren Wert als der Verteidiger wird der Verteidiger verweundet. Die Schwere dieser Wunde (Betäubt, Leichte Wunde, Schwere Wunde, Kritische Wunde = Modell ist ausgeschaltet) ist abhängig von der Differenz zwischen den Kampfergebnissen des Angreifers und des Verteidigers. Verwundungen geben dem Modell Abzüge auf weitere Attacken.
Modelle können versuchen spezielle Attacken durchzuführen, wie z.B. die Entwaffnung oder Überwältigung des Feindes, was jedoch eher für bestimmte Szenarien wichtig ist bzw. wenn man den Gegner entwürdigen möchte.
Aktionsphase
…in der Figuren mit Schusswaffen diese nocheinmal abfeuern dürfen (mit Abzügen) oder speziellere Aktionen ausgeführt werden (wie das Plündern oder Enthaupten eines Gefallenen).
Bei Schusswaffen in Ronin handelt es sich in der Regel um Bögen (Yumi) oder Arkebusen (Teppo). Bögen können zweimal pro Zug abgefeuert werden (einmal in der Bewegungs- und einmal in der Aktionsphase), jedoch mit negativen Modifikatoren wenn man zweimal schießt. Die Arkebuse, die recht aufwändig zu handhaben ist, kann in der Aktionsphase nachgeladen werden. Sprich: Man hat die Wahl die Arkebus mit Abzügen in der Bewegungsphase abzufeuern und später in der Aktionsphase nachzuladen, oder ohne Abzüge in der Aktionsphase zu schießen, aber dadurch eben bis zur nächsten Aktionsphase warten zu müssen mit dem Nachladen.
Die Maximalreichweiten sind sowohl mit Yumi als auch mit Teppo 48″, allerdings beginnen sich ab einer Distanz von mehr als 12″ Abzüge auf den Schuss anzuhäufen.
Meiner Erfahrung nach sind Schusswaffen ein bisschen eine Wildcard in Ronin. Das Treffen ist nicht leicht, das Verwunden der oft gepanzerten Ziele ebenfalls nicht. Beim Bogen wird das teilweise durch die Möglichkeit zweimal pro Runde zu schießen ausgeglichen, beim Teppo durch den Umstand, dass WENN er trifft die Rüstung des Ziels nicht viel bringt.
Endphase
…in der der Zustand Betäubt (die leichteste Form der Verwundung) abgeschüttelt werden kann und in der die Siegesbedingungen des Szenarios kontrolliert werden.
Danach geht’s wieder mit einer neuen Prioritätsphase los.
Das sind die Spielregeln. Ziemlich simpel, aber sie funktionieren. Hie und da gibt’s nette Kniffe, vor allem natürlich das kleine Gepokere mit den Kampfpools, was taktische oder zumindest dramatische Möglichkeiten eröffnet. Die Schusswaffen sind ziemlich elegant gelöst. Hab ich bisher noch nicht so gesehen.
Die Fraktionen
Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit den Fraktionen des Spiels bzw. „Armeelisten“. Ronin hat ein Punktesystem eingebaut das man wenn man möchte verwenden kann. Es gibt acht verschiedene Fraktionen im Regelbuch, von denen jede eigene kleine Spezialregeln hat was die Organisation und besonders die Acquirierung von Bonussiegespunkten angeht.
Bushi – Die klassischen Armeen. Ashigaru, Samurai. Im Grunde die Krieger eines Daimyos. Die Zusammenstellung der Kriegerbande erlaubt es entweder eine große Anzahl Ashigaru die von wenigen Samurai angeführt werden in’s Feld zu führen, oder natürlich einer Bande die ausschließlich aus Samurai besteht (ja, es geht sich eine Bande aus 7 Samurai aus). Extrasiegespunkte können durch das Sammeln von Köpfen von Gegnern lukriert werden. Es gibt Siegespunktverluste, wenn ein Samurai von einem Gegner niedrigeren Standes getötet wird. Als besondere Regel kann am Ende des Spiels der Anführer Seppuku begehen um eine Niederlage zu einem Gleichstand aufzubessern.
Ikko-Ikki – Eine der stärkten religiösen Bewegungen im alten Japan; zumindest die Streitbarste. Hauptsächlich besteht dieses Buntai aus Soldaten niederen Ranges und niederen Samurai, doch sie haben Zugang zu Kampfmönchen und speziellen Kriegsbannern.
Sohei – Buddhistische Kampfmönche ohne Zugriff auf schwere Rüstung. Dafür sind sie besonders furchtlos und haben einen ganzen Haufen Naginatas.
Koryu – Diese Liste repräsentiert die Schüler einer Schule der Kampfkunst. Sie tragen keine Rüstungen, und der Spieler darf sich eine Waffe aussuchen der sich die Schule verschrieben hat. Alle Modelle erhalten eine Spezialtechnik im Kampf und sie erhalten Extrasiegpunkte für das Verwenden dieser Techniken im Kampf.
Banditen – Diese Banden bestehen hauptsächlich aus einfachen Halsabschneidern und eben… Banditen sowie einem Anführer. Sie erhalten zusätzliche Siegespunkte für’s Plündern und der Anführer kann die Moral „aufbessern“ indem er seine Untergebenen umbringt.
Koreaner – Repräsentieren die koreanische Armee des späten 16.Jahrhunderts bei einer der zahlreichen Invasionen japanischer Krieger gegen Korea. Ihre Krieger sind in der Regel etwas weniger gut ausgebildet und tragen weniger Rüstung. Dafür bekommen sie Bonussiegespunkte für das Töten von Samurai. Zudem haben sie Zugriff auf spezielle Banner, Mönche und Kriegsflegel.
Ming-Chinesen – Genau wie Korea erlitt China diverse Angriffe durch japanische Streitkräfte. Die Chinesen bekommen ebenfalls spezielle Banner und haben hohe Moral. Zudem haben sie Zugriff auf leichte und schwere Reiter.
Bauern– Diese Liste ist wohl mehr für spezielle Szenarios gedacht. Ihre Moral basiert darauf zu welchem Anteil sie dem Gegner zahlenmäßig überlegen sind, und sie dürfen allerhand Söldner anheuern. Extrasiegpunkte gibt’s durch’s Plündern von getöteten Gegnern.
Mehr Fraktionen (inkl. übernatürlicher Buntais) und einen Punkterechner gibt’s auf der Website von Osprey (unten findet ihr einen Link). Zudem gibt’s diverse Armeelisten von Fans im Internet zu finden.
Die einzelnen Armeelisten sind untereinander nicht perfekt ausbalanciert, und der Autor macht daraus kein Geheimnis. Müsste ich die Buntais grob einteilen würde ich sagen, dass Bushi sich gut gegen andere Bushi, Ikko-Ikki, Koreaner und Ming-Chinesen spielen. Ikko-Ikki gegen Sohei gehen sicherlich gut, und Banditen gegen Koryu müsste tolle Spiele geben.
Soweit ich gesehen habe spielen ohnehin die meisten Leute Bushi gegen Bushi, und das ist absolut okay so. Natürlich sind Szenarien wie Banditen die eine Schwertschule überfallen, Bauern, die sich mit Hilfe eines Ronin gegen die Banditen erheben die die Gegend terrorisieren oder Koryu die von einer Bushi-Bande belagert werden, weil sie sich weigern ihre Waffen niederzulegen sehr, sehr reizvoll.
Söldner, die man sich dazu anheuern kann umfassen so farbenfrohe Charaktere wie unverlässliche Ronin, Kriegermönche, Shugyosha (legendäre Krieger die durch die Lande reisen und nach Ruhm, Erleuchtung oder Perfektion suchen). Natürlich gibt’s auch Ninjas, die wahlweise als ein anderes Modell getarnt aufgestellt werden können.
Das Kapitel Szenarios beginnt mit Regeln für randomisierte Geländeaufstellung, Wetter und Tageszeit. Es finden sich 8 verschiedene Szenarien im Buch: Ein generisches Treffen zweiter Banden, ein Szenario in dem es was zu erbeuten gilt, ein Verteidigungsszenario, ein Duell das aus dem Ruder läuft, ein Turnier (ein formaler Kampf in dem die Mitglieder zweier Buntai abwechselnd gegen einen Kontrahenten antreten), die Verteidigung eines Dorfes, und ein Attentat in dem einer der Spieler eine Handvoll Ninjas spielt die versuchen den Anführer eines Buntai zu eliminieren. Eine nette Auswahl von Standardszenarios und etwas Ausgefalleneren. Jedenfalls genug um sich lange mit dem Spiel zu befassen.
Am Ende des Buchs finden wir eine Liste von Büchern und Filmen als Inspiration und Referenzmaterial, einen Schnellreferenzbogen und einen Buntai-Bogen den man kopieren und ausdrucken kann (gibt’s aber auch auf der Ospreyseite).
Fazit
Ronin – Skirmish Wargames in the Age of the Samurai tut was es verspricht. Das hervorstechende Argument ist natürlich das Kampfpool-System, das den hohen Grad der Kampfkunst die zu der Zeit in den Mittelpunkt gestellt wurde verdeutlicht. Hie und da wird gemurmelt, dass dieser Mechanismus den Bushido-Regeln entnommen wurde, aber solange er im Rahmen von Ronin funktioniert bin ich happy.
Mehr als einmal kommt es dadurch während eines Spiels zu dramatischen Szenen. Leider sind die Kampagnenregeln sehr, sehr überschaubar, doch ich glaube das ist dem rigoros schlanken Format der Osprey-Regelbücher geschuldet.
Ich persönlich mag die Ronin-Regeln sehr gerne. Sie stellen einen netten Kompromiss aus simplen Regeln mit ein bisschen Gepokere und ein bisschen taktischen Entscheidungen dar.
Was sofort auffällt ist, dass die Regeln sich bestimmt leicht für allerhand andere Settings adaptieren ließen. Hoch- gegen Dunkelelfen sind mir gleich eingefallen, sowie Star Wars (besonders durch die Schusswaffen, die potenziell viel schießen, aber wenig treffen und den Schwertmeistern die dazwischen rumlaufen und sich dann sehr gekonnt Körperteile abtrennen).
Natürlich ist das dann kurz darauf passiert, und En Garde wurde veröffentlicht. Das Ronin-System im Europa des 17.Jahrhunderts.
Das Regelbuch ist für so ca. € 14,00 erhältlich, und da ist eigentlich nix verhaut, auch wenn man’s nicht so oft spielt. Es ist nett, wenn man ein Spiel für das feudale Japan rumstehen hat falls man’s mal braucht. Und genau daür ist Ronin das Spiel meiner Wahl.
Ich hoffe, dass euch der Artikel gefallen hat, und dass ihr euch ein Bild über diese sehr pflegenleichten und unaufwändigen Regeln machen konntet. 🙂 Falls ihr noch Fragen oder Anregungen habt seid ihr gern eingeladen sie über die Kommentarfunktion unten zu posten oder direkt per e-mail zu schicken. Außerdem könnt ihr mich über die Tabletop Stories Facebookseite, die Battle Brush Studios Facebookseite, oder Battle Brush Studios direkt erreichen.
Online-Zeugs (Buntai-Bögen, Referenzbögen, mythische Buntai, Regelerweiterungen, Errata, etc.): https://ospreypublishing.com/gaming-resources-OWG
Es gibt zudem eine sehr gute Facebookgruppe mit namen „Ronin – Samurai Skirmish Rules“.