Das erste Sharp Practice Spiel des Jahres, und wieder einmal hat sich Cpt.Shandy mit einer interessanten historischen Begebenheit befasst. Es ist ein kniffliges Szenario, das er derzeit für eine Mini-Kampagne im Traisental im Jahr 1809 testet.
Der historische Hintergrund des Szenarios dreht sich um einen Haufen steirischer Schützen, Landsturm und Landwehr, die sich im Mai 1809 im Traisental versammelten. Die Franzosen bekamen davon Wind und befürchteten einen weiteren Volksaufstand wie in Tirol und anderswo, also schickten sie eine Truppe aus leichter Kavallerie und leichter Infanterie, um die Sache in den Griff zu bekommen. Nachvollziehbarerweise waren sie darauf bedacht die Sache zu erledigen, bevor sie sich auswächst.
Das Szenario
Die erste ernsthafte Begegnung fand bei einer Glashütte/Glasfabrik direkt an der Traisen (ein Nebenfluss der Donau im südlichen Niederösterreich) statt.
Französische leichte Truppen und österreichische Landsturm-, Jäger- und Landwehrtruppen stoßen bei der Glashütte aufeinander.
Aufgrund des asymmetrischen Charakters der Begegnung und der Tatsache, dass sie im Rahmen einer Kampagne stattfinden soll, gelten für die Österreicher einige Sonderregeln. Die wichtigste ist, dass sie sich freiwillig zurückziehen dürfen, sobald ihre oder die Force Morale des Gegners auf 5 sinkt. Allerdings müssen sie die meisten ihrer Einheiten von ihrem eigenen Tischrand (Westen) wegbringen, damit dies funktioniert.
Die Streitmächte
Wie bei Testspielen üblich, haben wir gewürfelt, wer welche Seite spielt. Cpt. Shandy durfte die Österreicher spielen, während ich in diesem Spiel die französischen Truppen befehligte.
Österreicher
2x Landwehr, geführt von Major Adalbert Wenzel Graf Clary und Aldringen (Status II)
3x Landsturm Miliz, geführt von Major Josef Graf Breuner von Enkevoirt-Asparn (Status I)
3x Steirische Schützen, geführt von Unterleutnant Janisch, Oberjäger Leithner und Unterjäger Koweindl (alle Status I), bewaffnet mit Büchsen
Force Morale 10
Französisch
5x Leichte Infanterie, geführt von Oberst Pierre-Jules-Cesar Guyardet (Status III) und seinem Untergebenen Capitaine Jean Laborde (Status II), plus ein Sapper
2x Leichte Infanterie-Plänkler, geführt von Lt. Picot und Sgt. Mercier (alle Status I)
1x Leichtes Geschütz, geführt von Leutnant Duponchel
1x Chasseurs a Cheval, geführt von Leutnant Marbois
Force Morale 9
Das Spiel
Ich schicke die Chasseurs à Cheval auf die Straße, um nach feindlichen Truppen Ausschau zu halten. Sie kommen nicht weit, bevor sie aus dem Dickicht zu ihrer Rechten von steirischen Schützen aufs Korn genommen werden.
Nachdem die feindlichen Scharfschützen nun zumindest ausfindig gemacht wurden, setzen die Franzosen ihren wichtigsten Trumpf ein: Sie haben eine kleine Kanone mitgeschleppt und beginnen, den Waldrand zu beschießen. Weitere Einheimische eröffnen nun ihrerseits aus den Gebäuden der Glashütte das Feuer auf die Kanonenbesatzung. Leutnant Duponchel wird verwundet und zwei seiner Artilleristenkollegen werden getötet.
Im Wald tauchen immer mehr Schützen auf, die meine armen Reiter beharken. Erst wollen sie vorwärts, doch das haut garnicht hin, und schlussendlich müssen die Chasseurs sich vollkommen zurückziehen. Ich habe das Gefühl, dass es von Anfang an eine schlechte Idee war, in dieses gottverlassene Tal zu gehen. Aber egal, schnell Plänkler aufs Feld schicken. Plänkler bringen alles in Ordnung. Die erste Gruppe feuert gemeinsam mit der Kanone auf die Schützen im Waldrand. Derweil positioniert sich die andere Plänklergruppe so am Ufer, dass die Heckenschützen in der Glasfabrik nicht weiter die Kanonenmannschaft beschießen können.
Da der Offizier der Geschützbesatzung verwundet ist (und sein Status daher auf Null reduziert wurde), ist es ziemlich schwierig, die Kanone dazu zu bringen, überhaupt etwas zu tun. Hinzu kommt, dass die ersten beiden Schüsse des Geschützes zu einer dicken Rauchwolke führen, was das Geschütz in dieser Position und ohne richtige Führung so gut wie nutzlos macht. Das ist schlecht.
Da mir klar ist, dass das Geschütz für eine Weile nicht viel ausrichten wird, lasse ich meine beiden Gruppen von Plänklern direkt den Hang hinaufziehen, um die Scharfschützen im Wald aus nächster Nähe zu bekämpfen. Ein weiteres Unglück ereilt uns, als Sgt. Mercier, der Anführer einer der Plänklergruppen, bewusstlos zu Boden geht. (Spoiler: …und er bleibt bis sehr, sehr spät im Spiel am Boden, als es seiner Einheit nicht mehr gelingt, wirklich etwas zu bewirken)
Wenigstens stehen sie nicht im Weg, also stelle ich den Rest meiner Truppe (5 Gruppen leichter Infanterie) in einer offenen Kolonne auf, die sich die Straße hinunter bewegt.
Die höhere Feuerrate der französischen leichten Infanterie zahlt sich aus, und die steirischen Schützen sind gezwungen, sich in den Wald zurückzuziehen. Das geht nicht so glatt wie geplant, und die französischen Plänkler, auf Rache aus, stürmen in den dichten Wald. Sie holen eine der Gruppen ein, und die Schützen werden gefangen genommen. Ohne zu zögern setzen die Franzosen die Jagd auf die andere Gruppe von Schützen fort.
Währenddessen marschiert die französische Kolonne die Straße hinunter und überquert die Traisen nach Süden. Der österreichische Kommandant erkennt dies als Gelegenheit und lässt seine drei Gruppen von Landsturm-Milizionären aufmarschieren und eine Salve in die Flanke meiner Infanterie-Kolonne feuern.
Argerlich. Das verlangsamt meine Kolonne ein wenig, aber umdrehen ist keine Option. Stattdessen erhält Capitaine Laborde den Befehl, die beiden hintersten Gruppen abzutrennen und sie gegen die Landsturmlinie zu führen. Nicht notwendigerweise um sie zu verscheuchen, sondern auch um die im Kampf zu halten.
Der Rest der Kolonne (jetzt drei Einheiten) bewegt sich auf die Glashütte zu, was die darin sitzenden Schützen dazu veranlasst, ihre Position zu verlassen und sich andere Ziele zu suchen (wie meine armen Plänkler!).
Die Suche dauert ein bisschen zu lange. Oberst Guyardet führt eine Gruppe leichter Infanterie (und den Sappeur) durch das Tor und direkt auf die Schützen zu. Sie versuchen zu entkommen, werden aber eingeholt und müssen sich ergeben. Plänkler im Nahkampf, entladen, von hinten angegriffen, … das summiert sich einfach.
In der Zwischenzeit hat sich der österreichische Kommandant, Major Graf von Clary und Aldringen, dem Landsturm angeschlossen, um den Rückzug selbst zu organisieren. Die österreichische Force Morale ist zu diesem Zeitpunkt in einem schlechten Zustand. Die französische Truppenmoral hat in der Anfangsphase ein paar ärgerliche Einbußen erlitten (weil die Chasseurs verscheucht wurden und einige verwundete Offiziere niedrigeren Ranges), liegt aber seither recht komfortabel bei 6 oder 7.
Da der südliche Teil des Spielfeldes fest in französischer Hand ist und die Österreicher auf der Flucht sind, möchte der französische Kommandeur den Sack zuzumachen. Also drängt er seine kleine Gruppe dazu, den Fluss Traisen entlang auf den österreichischen Deployment Point zuzurennen und ihn einzunehmen.
Obwohl einige der Landsturmmänner von jenseits der Traisen auf sie feuern schaffen sie es gerade noch rechtzeitig, bevor die österreichischen Einheiten vom Tisch sind.
Die Situation am Ende des Spiels:
Ein französischer Sieg!
Nachbesprechung
Was für ein kniffliges, kniffliges Szenario für die Österreicher. Ein Szenario zu entwerfen ist eine Sache, ein sehr asymmetrisches Szenario zu entwerfen eine ganz andere, vor allem, wenn es eine tatsächliche historische Aktion widerspiegeln soll. Nach dem Spiel unterhielten wir uns über mögliche Änderungen an den österreichischen Siegbedingungen und so weiter. Mehrere Ideen wurden geäußert. Das Interessante daran ist, dass das Szenario nicht nur als Teil einer Kampagne funktionieren muss, sondern auch als eigenständiges Spiel Spaß machen soll. So wie das Szenario jetzt aussieht, kann der österreichische Spieler eigentlich nur verzögern und gleichzeitig versuchen, entweder seine oder des Gegners Truppenmoral zu senken, um dann abzuhauen und sich so einen Vorteil für das nächste Spiel zu verschaffen.
Ich bin mir sicher, dass dieses Szenario noch weiter getestet werden wird, aber so oder so ist diese Minikampagne sehr interessant angelegt. Die vergangene Kampagne war eher symmetrisch und mit klassischeeren Partien aufgezogen. Das ist großartig, aber natürlich ist die asymmetrische Situation auch aus gestalterischer Sicht interessant. Ich freue mich darauf zu sehen, wie sich das weiter entwickelt!
Ich hoffe, dass euch dieser Schlachtbericht gefallen hat, und wenn ihr Ideen oder Vorschläge für asymmetrische Gefechte in Sharp Practice habt, lasst es mich in den Kommentaren wissen!