Frohes neues Jahr! Ich habe 2022 mit einer Solopartie Baroque begonnen. Die Regeln zielen darauf ab, Schlachten zwischen 1550 und 1700 darzustellen und geute werden wir uns die Sache genauer ansehen.
Baroque, geschrieben von Lorenzo Satori, wurde 2016 von Dadi&Piombo veröffentlicht. Die Regeln basieren auf den beliebten Impetus-Regeln für antike bis mittelalterliche Schlachten. Baroque wurde kurz vor der Veröffentlichung von Impetus II herausgegeben und kann daher als eine Art Bindeglied zwischen der ersten und zweiten Auflage von Impetus betrachtet werden. Wobei es wesentlich näher an Impetus II dran ist als an der ersten Version.
Ich habe das Buch bei Erscheinen direkt beim Verlag bestellt, es kam ein paar Wochen später an, und wir haben es sofort probegespielt. In meinem Kopf habe ich es unter „Ja, haut hin“ abgelegt, und das war es dann für ein paar Jahre. Seitdem standen die Regeln ein paar Jahre lang im Regal. Zwischendurch haben wir ein bisschen Pike&Shotte gespielt, und natürlich Twilight of Divine Right und In Deo Veritas ab 2019.
Also habe ich am 31. Dezember eine Partie Baroque aufgebaut, um das Jahr 2022 richtig zu beginnen und die Regeln nochmal genauer anzusehen.
Das Buch
Das Regelbuch ist vollfarbig, ringgebunden(!) und auf richtig dickem Papier gedruckt, so dass es selbst mit nur 53 Seiten dicker aussieht als ein übliches 53-seitiges Regelbuch. Drin gibts hübsche Fotos von 28mm-Figuren, hauptsächlich aus dem Dreißigjährigen Krieg, dem ECW und einigen etwas späteren Figuren, zu sehen.
Die einzelnen Kapitel des Buches befassen sich mit Truppen, Armeeaufbau, Kommandostruktur, einigen Regeln für Gelände, und dann geht es weiter mit den üblichen drei Verdächtigen: Bewegung, Schießen und Nahkampf. Danach gibt es einige Seiten, die Sonderregeln gewidmet sind, einige Armeelisten (Katholiken und Schweden für den dreißigjährigen Krieg, Royalisten und Parlamentarier für den englischen Bürgerkrieg, und dann gibts noch Osmanen, Kaiserliche und Polen für das spätere 17. Jahrhundert) Auf der Website des Verlags findet ihr viele weitere Armeelisten zum Herunterladen.
Der Autor ist offensichtlich sehr erfahren im Schreiben von Regeln, auch für Leute, die eher aus dem Turnierbereich kommen. Alles ist sehr klar dargestellt, oft unterstützt durch Diagramme und die ausgezeichneten Schnellreferenzbögen hintem im Buch. Das Layout ist sehr übersichtlich und auch wenn manchmal die eine oder andere Sonderregel woanders steht, als ich es erwartet hätte, ist dies ein exzellent geschriebenes Regelbuch. Außerdem: Angenehm zu lesen.
Basierung
Dies ist eine der Stärken der Impetus-Regelfamilie – jede Einheit ist ein Base. Während des Spiels muss man sich nicht mit Formationen oder Ähnlichem herumschlagen. Das ermöglicht kleine Vignetten auf den Einheitenbasen, man kann echte Formationen darstellen und so weiter. Und nicht zuletzt ist es ziemlich praktisch zu transportieren.
Einheiten
Das Spiel gibt uns genug Differenzierung zwischen Truppentypen und Formationen, um alle wichtigen Details der Epoche darzustellen. Die Infanterie ist klassifiziert als reiner Pikenblock, Frühe oder späte Tercios, Piken & Musketen ‚Regiment’/’Bataillon’/etc., Irreguläre Kriegsbanden oder Plänkler. Berittene Truppen werden entweder als Dragoner (berittene Infanterie), Traber (im Trab vorwärts, Pistolen abfeuern, angreifen), Galopper (Schockkavallerie), Reiter (Arkebusiere in früheren Epochen, können Massen bilden und die Caracole-Taktik anwenden), Sipahi (östliche gepanzerte Kavallerie, oft mit Bögen) oder leichte Kavallerie klassifiziert. Es gibt leichte, mittlere und schwere Artillerie sowie kleine und Belagerungsmörser.
Die Regeln
Jede Armee besteht aus 3-4 Kommandos, von denen jedes aus einer Handvoll Einheiten besteht, von denen jedes von einem Kommandeur angeführt wird. Typischerweise sind das ein Kavallerieflügel, ein Infanteriezentrum oder eine Infanteriereserve. Während einer Spielrunde kann jedes Kommando einmal aktiviert werden.
Aktivierung
Bei jeder Aktivierung geben die Spieler an, welches Kommando sie aktivieren möchten, und würfeln um die Initiative. Der Spieler, der den Wurf gewinnt (und damit Aktiver Spieler ist), darf sein Kommando aktivieren, d.h. jede der Einheiten dieses Kommandos darf aktivieren.
Bewegung
Jede Einheit hat einen Basisbewegungswert in Baroqueeinheiten (BU), der einer halben Basebreite entspricht. Dies macht das Spiel völlig unabhängig von Maßstab und Basierung. Im Buch gibt es Vorschläge für die Aufstellung verschiedener Figurengrößen, aber im Allgemeinen haben alle Kampfeinheiten die gleiche Basenbreite. In meinem Fall haben Infanterieeinheiten eine Breite von 100mm und Kavallerie eine Breite von 80mm, also spiele ich mit einer BU von 50mm. Hübsch metrisch 😉 .
Einheiten können mehrere Bewegungen machen, aber nach der zweiten und jeder weiteren Bewegung müssen sie einen Disziplinstest machen, der mit jeder Bewegung schwieriger (bis unmöglich) wird. Wenn eine Einheit ihren Disziplinwurf nicht besteht, gerät sie in Unordnung (Disorder) und ihre Aktivierung endet. Es gibt also ein gewisses Pokerelement beim Aktivieren von Einheiten. Jede Einheit spielt ihre volle Aktivierung durch, einschließlich Schießen oder Nahkampf, bevor die nächste Einheit des Kommandos aktiviert wird. Jede Einheit wird also in jeder Spielrunde aktiviert, aber die Reihenfolge, in der dies stattfindet und wie viel genau sie tun kann, variiert von Runde zu Runde.
Darüber hinaus darf jede Einheit während des Spielzugs eine Reaktion ausführen. Dabei handelt es sich nicht nur um reine Angriffsreaktionen, sondern auch um Dinge wie Gelegenheitsfeuer, -bewegungen und Gelegenheitsangriffen, wenn sie eine gegnerische Einheit erwischen, die vorwitzig vor ihnen herläuft (oder deren Disziplinwurf misslingt). Deswegen gibt’s auch keine Zones of Control oder sowas. Das Reaktionssystem ist um einiges flexibler.
Down-times, also Zeitpunkte im Spiel zu denen einer der Spieler nix zu tun hat sind also minimal, da die Spieler jeweils nur einen Befehl aktivieren und der andere Spieler auf fast jede einzelne Bewegung eines Spielers reagieren kann.
Schießen und Nahkampf
Schießen oder Erklären eines Angriffs beendet normalerweise die Aktivierung einer Einheit. Die Feuerreichweite ist etwas größer als ich es von anderen Schlachtregeln aus dem 17. Jahrhundert gewohnt bin – theoretisch können Musketen bis zu 200 mm weit schießen (basierend auf meiner BU von 50 mm), was mir seltsam vorkam, vor allem, da Kanonen kaum weiter schießen können, aber in der Praxis liegt die Feuerreichweite von Musketen in Barock zwischen 50 und 100 mm. Alles darüber hinaus macht das Musketenschießen eigentlich zur Verschwendung.
Jeder Kampf, sei es auf Distanz oder im Nahkampf, basiert auf VBU. Dies führt uns auf einen kleinen Umweg zu…
Einheiten-Werte
Movement (Bewegung, in BU sind Schnell und Langsam Modifikatoren) ist selbsterklärend, und als nächstes haben wir den wichtigsten Wert: VBU. VBU beschreibt den Kampfwert einer Einheit. Wenn eine Einheit Verluste erleidet, wird ihr VBU-Wert dauerhaft reduziert. I(mpetus) ist ein kleiner Angriffsbonus, D(iscipline) sagt uns, wie gut die Truppen trainiert sind und wie wahrscheinlich es ist, dass sie mehrere Manöver auf einmal ausführen können, VD (Value of Demoralisation) gibt an wie sehr der Verlust der Einheit der Gesamtmoral der Armee schadet.
Fürs Schießen und den Nahkampf ist VBU die Hauptsache. Die übliche Abfolge ist, dass der aktive Spieler seine Absicht erklärt, zu schießen oder anzugreifen, der inaktive Spieler kann eine Reaktion erklären. Wenn die aktive Einheit schießen darf, wirft sie eine Anzahl sechsseitiger Würfel (W6), die ihrem aktuellen VBU entspricht. Im Nahkampf kämpfen beide involvierten Einheiten, d.h. beide Spieler würfeln. In beiden Fällen zählt jede gewürfelte 6 ODER Doppel-5 als Treffer. Das Verfahren, mit dem ermittelt wird, ob die Zieleinheit tatsächlich Verluste erleidet und wie hoch diese sind, könnte meiner Meinung nach etwas einfacher formuliert werden. Die Schnellreferenzbögen im hinteren Teil des Buches (oder als kostenloser Download auf der Website) sind sehr hilfreich.
Sieg und Niederlage
Jedes Kommando und die gesamte Armee haben einen Break Point, der sich aus der Summe der VDs der Einheiten des Kommandos und der Armee errechnet. Natürlich kann dies durch das gespielte Szenario usw. beliebig verändert werden. Die Grundregeln sind recht interessant, denn die Punktzahl eines Kommandos (und der gesamten Armee) wird um die VD-Punktzahl der Einheit reduziert, sobald die Einheit weniger als die Hälfte ihres ursprünglichen VBU hat. Wenn die Einheit zerstört wird, wird der zweifache VD-Wert der Einheit von den Punkten der Armee und des Kommandos abgezogen. Ich werde das anhand des Beispiels des Testspiels in Kürze genauer erläutern. Auf jeden Fall ist dies ein sehr interessanter Mechanismus, der Spieler dazu bringen soll, Einheiten nicht nur in Kampfbereitschaft zu halten, sondern auch dazu, beschädigte Einheiten lieber vom Tisch zu nehmen, als sie untergehen zu sehen.
Armeelisten
Ein Wort zu den Armeelisten – ja, dieses Spiel verwendet welche. Mit Punktewerten. Spieler können auch auch Kommandanten verschiedener Qualität mit Punkten kaufen, ebenso wie Upgrades für die Armee.
Die Armeelisten enthalten armeespezifische Aufwertungen, um bestimmte Spezialitäten darzustellen (schwedische Einheiten bis 1634 können mehr gut ausgebildete Schützen aufstellen, Franzosen verwenden wütende Angriffe und so weiter), sowie Beschränkungen für bestimmte Einheiten.
Unter den Regelwerken für das 17.Jahrhundert die ich so kenne ist Baroque wahrscheinlich das am besten geeignete Spiel für Pick-Up Games oder sogar Turniere. Das soll natürlich nicht heißen, dass es für das Spielen von szenariobasierten Spielen schlechter ist.
So, genug geredet. Es ist Zeit für das Testspiel:
Schlacht bei Schlossmühle (1629)
Dies ist ein völlig fiktives Scharmützel zwischen einer protestantischen Abteilung und einer Abteilung einer größeren Armee der katholischen Liga.
Das Szenario
Es ist Oktober, und sichere und warme Winterlager haben für alle oberste Priorität. Beide Abteilungen treffen sich zwischen einem Dorf und einem befestigten Kloster, beides schöne Orte zum Überwintern. Das Problem ist, dass die protestantische Truppe etwas schneller war und das Gebiet bereits für ihr eigenes Lager beansprucht hat. Der katholische Befehlshaber ist fest entschlossen, nicht vor dem Frühjahr zu biwakieren und wird die Ketzer hinauswerfen.
Ich habe dieses Szenario aus Stephens Blanagan-Blog geklaut, einem der Blogs, die ihr euch regelmäßig ansehen solltet, weil es dort sehr, sehr gutes Material gibt.
Die Protestanten (Verteidiger, blau) beginnen am nördlichen Rand des Tisches, die ligistische Armee (Angreifer, rot) am gegenüberliegenden Rand. Zu Beginn des Spiels habe ich für jede Einheit auf dem Tisch gewürfelt, ob sie durch den Marsch ermüdet ist oder nicht. Der Angreifer darf zwei „Ermüdet“-Ergebnisse ignorieren. Er bekommt auch zwei etwas stärkere Einheiten, aber sie müssen die Verteidiger innerhalb von 10 Runden schlagen, ansonsten gewinnen die Verteidiger.
In diesem Szenario haben die Armeen keine Trosse dabei.
Der kleine Bach in der Mitte ist fast ausgetrocknet, so dass er an jeder Stelle überquert werden kann, aber die Einheiten benötigen eine zusätzliche BU, um ihn zu überqueren.
Die Streitmächte
Katholische Liga (durchschnittliche Kommandostruktur)
Kommando 1 – Generalleutnant Virago di Virolotti, Oberbefehlshaber, schlechter Kommandant
4x Späte Tercios (2 davon Veteranen, die VBU 8 statt 7 erhalten)
1x Schützen (Plänkler)
1x Leichte Artillerie
Kommando 2 – Graf Paradeiser, Verlässlicher Kommandant
2x Reiter Kavallerie
Kommando 3 – Albrecht von Schweynigl, Schlechter Kommandant
2x Reiter Kavallerie
563 Punkte, VDT (zur Bestimmung des Break Points) 22
Protestanten (durchschnittliche Kommandostruktur)
Kommando 1 – Graf Thomas von Trestorff, Oberbefehlshaber, Schlechter Kommandant
4x Späte Tercios (2 davon ermüdet, also mit den Werten für „grüne“ Späte Tercios)
1x Schützen (Plänkler)
1x Leichte Artillerie
Kommando 2 – Generalleutnant Streiff, Verlässlicher Kommandant
2x Reiter Kavallerie
Kommando 3 – Graf von Solingen, Schlechter Kommandant
2x Reiter Kavallerie
563 Punkte, VDT 22
Das Spiel
In dem Wissen, dass die Zeit knapp ist, treibt Generalleutnant di Virolotti das Infanteriezentrum auf den kleinen Bach zu. Die Plänkler und die leichte Kanone rücken bis zum Bach vor, die massiven Tercios setzen sich hinter ihnen in Bewegung.
Der protestantische Befehlshaber Trestorff will nicht, dass die feindliche Kanone am Fluss in Stellung geht, und schickt Plänkler, um sie zu erledigen. Der erste Schusswechsel des Spiels überrascht die Kanonenbesatzung und sie gerät in Unordnung.
Selbst wenn eine Einheit keinen dauerhaften Schaden erleidet, wird sie durch Beschuss meistens in Unordnung gebracht, was alle möglichen Nachteile mit sich bringt.
In der Zwischenzeit rückt auch die protestantische Infanterie vorsichtig in Richtung des Flusses vor, um in der Lage zu sein, jeden anzugreifen, der es wagt, den Fluss zu überqueren. Die Kavallerie auf beiden Seiten geht in Stellung, und die Offiziere der ligistischen Infanterie versuchen ihr Bestes, um die Tercios in Formation zu halten und sie so schnell wie möglich an den Feind zu bringen.
Kruzifix! Einer der Schützen hat das Pulver in Brand gesteckt und die Kanone inkl. Besatzung geht hoch!
Die Plänkler der katholischen Seite wollen ihren protestantischen Kollegen um nix nachstehen, und rücken über den Bach vor, um den Angriff des Kavalleriekommandanten Paradeiser auf der rechten Flanke zu unterstützen.
…während in der Mitte der erste Veteranen-Tercio (von Lorenz-Dittlbach) ihre Zehen ins Wasser tauchen. Sofortige Unordnung, die protestantischen Plänkler halten ihre Position, um einige Schüsse auf diese riesige Formation abzugeben und ihnen das Leben schwer zu machen. Das Hauptziel der protestantischen Seite ist es, zu verzögern und Zeit zu gewinnen.
Die katholischen Plänkler treffen ein, eröffnen das Feuer und fügen der feindlichen Kavallerie sogar einigen Schaden zu. Wenn das brandenburgische Infanterie-Tercio dort hinten in Unordnung bleibt, könnte Paradeisers Angriff über den Bach wunderbar funktionieren.
Hier ein Überblick:
Die ligistische Infanterie rückt so schnell wie möglich vor, wobei der mittlere Veteranen-Tercio durch den Fluss und feindliches Plänklerfeuer behindert wird. Zu ihrer Linken rückt ein weiterer Tercio (Hochner) flott vor, trotz Störfeuers der feindlichen Artillerie. Die protestantische Infanterie und Kavallerie rückt abermals langsam vor, um etwaige Angriffe auf die anderen Seite des Flusses abzuwehren. Die katholische Kavallerie steht bereit und wartet darauf, dass die Infanterie in voller Stärke zum Angriff übergeht. Rechts ist zu sehen, wie sich der ehemals ungeordnete protestantische Tercio zusammenrauft und die aufdringlichen katholischen Plänkler verjagt (durch den Totenkopf angezeigt). Schlecht für die katholische Seite, die nun ihre Pläne, rechts anzugreifen, wieder zurückstellen muss, zumal ein feindlicher Tercio nun die Flanke deckt und die eigenen Tercios sich festgefahren haben.
Die Zeit drängt und lässt keinen koordinierten Angriff über den Bach zu. Der Tercio Hochner überquert den Bach und verlässt sich darauf, dass die Veteranen zu seiner Rechten kurzen Prozess mit den Plänklern machen und den Angriff bald unterstützen werden. Der protestantische Tercio, der vom langen Marsch erschöpft ist und den Winter nicht auf einem Feld verbringen möchte, setzt ihnen heftiges Abwehrfeuer entgegen.
Der Moment des Angriffs ist gekommen, und Schweynigl schickt auch die erste Kavallerieschwadron über den Bach.
Leider werden sie fürchterlich vermöbelt und müssen zurückfallen. Der Feind verfolgt sie, und wird nur durch den Bach davon abgehalten, sie niederzureiten.
Den nächsten Angriff führt Schweynigl persönlich an. Streiff stellt sich mit allen verfügbaren Reitern entgegen.
Trotz aller Bemühungen der protestantischen Kavallerie und gegenseitiger Unterstützung wird schließlich eine ihrer Schwadronen aufgerieben, die andere zieht sich ebenfalls zurück. Für die katholische Seite sieht es an der linken Flanke gut aus, denn der feindliche Kavallerieflügel bricht fast zusammen. Ihr Kommandeur Streiff ist jedoch zuverlässig und hilft, die letzte Schwadron im Spiel zu halten.
Schließlich schafft es der Veteranen-Tercio von Lorenz-Dittlbacher über den Bach und vertreibt die lästigen Plänkler. Nur um von zwei Tercios mit gewaltigem Musketenbeschuss begrüßt zu werden.
Die heftigen Salven bringen die Veteranen des Tercios fast sofort in die Flucht. Ihr Oberst beschließt, dass sie genug getan haben, und sie verlassen das Feld in dem bisschen an Ordnung und Würde, das ihnen geblieben ist, ohne weitere feindliche Einmischung.
An dieser Stelle kommt der freiwillige Rückzug ins Spiel. An dieser Position wäre der Tercio in kürzester Zeit aufgerieben worden, also habe ich beschlossen, dass sie einfach zusammenpacken und nach Hause gehen. Die Einheit ist vom Tisch (und Gott sei Dank hat es der Feind nicht geschafft, einen Gelegenheitsangriff oder ein Gelegenheitsfeuer als Reaktion auszuführen, bevor die Einheit den Tisch verlassen hat), aber die VD-Punkte der Einheit werden nur einmal vom Gesamtpunktestand der Armee abgezogen und nicht zweimal die VD, was der Fall wäre, wenn die Einheit aufgerieben/zerstört worden wäre. Diese Regeln ermutigen dazu, nicht bis zum letzten Mann zu kämpfen, was mir sehr gut gefällt.
Schließlich überrennt der Tercio Hochner den sächsischen Tercio und schlägt ein Loch in die feindlichen Linien!
Am anderen Ende der Schlacht beginnt die protestantische Infanterie, die Kavallerie Paradeisers (die immer noch nicht bereit ist, den potenziell selbstmörderischen Angriff ohne Unterstützung durch die Infanterie zu beginnen) mit überraschend effektivem Musketenfeuer zu bedrängen.
An der linken Flanke der Katholiken bereiten sich Schweynigls Männer auf einen weiteren Angriff gegen Streiffs angeschlagene Restkavallerie vor.
Schweynigl greift erneut an…
…und die protestantische Kavallerie von Streiff schlägt Schweynigls Truppen, in die Flucht. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit.
Jetzt überquert Streiff den Bach, die letzte verbliebene katholische Kavallerieschwadron (noch immer in schlechter Verfassung von diesem ersten Angriff) erkennt, dass der Tag verloren ist und verlässt zusammen mit Graf von Schweynigl das Schlachtfeld.
Der linke katholische Kavallerieflügel ist verschwunden, beide Armeen sind bereits massiv geschwächt. Generalleutnant di Virago di Virolotti beschließt, das verbliebene Veteranen-Tercio selbst über den Fluss zu führen. Dies schränkt seine Befehlsreichweite drastisch ein und lässt das vierte Tercio zurück, das aber ohnehin von Anfang an sehr zurückhaltend war. Spanische Soldaten, angeführt von einem italienischen Offizier. Eine Erfolgsformel.
Leider scheint das Zentrum der Schlacht verflucht zu sein. Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit und Spaniertums werden die Ssoldaten zurückgeschlagen. Schlimmer noch: Generalleutnant di Virolotti wird im Handgemenge verwundet und fällt aus!
Wie es sich für Spanier gehört, zeigen sich die Männer unbeeindruckt vom Verlust ihres Kommandanten und kämpfen weiter, aber ohne echte Unterstützung (Tercio Hochner zu ihrer Linken ist nach dem ersten Durchbruch erschöpft und träge) werden sie aufgerieben und müssen sich schließlich zurückziehen.
Graf von Paradeisers Kavalleriegeschwader kam auch nie wirklich in Ganz. Stattdessen feuert die lästige feindliche Infanterie immer wieder auf die Kavallerie ein, bis auch sie erschöpft ist.
Damit endet das Spiel in Runde 8 mit einem Endstand von 8 VDT für die Protestanten und 0 VDT für die Katholische Liga.
Es ist ein protestantischer Sieg!
Nachbetrachtung und Fazit
In diesen Regeln gibt es keine Nachspielphase der Schlacht, das Spiel endet also hier.
Baroque spielt sich wirklich gut und stellt den Spieler ständig vor neue Entscheidungen, oft auf einer Risiko-Belohnungs-Basis. Dazu kommt die minimale Down-Time auf beiden Seiten. Ein sehr unterhaltsames und flottes Regelwerk. Die Klassifizierung der Einheiten ist sinnvoll und bietet genug Abwechslung, um diejenigen glücklich zu machen, die mit der Kriegsführung im 17. Jahrhundert auskennen.
Unordnung in den Einheiten zu vermeiden ist ein wichtiger Teil dieses Spiels, wie es auch sein sollte, wenn man Armeen des 17. Jahrhunderts befehligt. Das Tückische daran ist, dass Einheiten zwar handeln können, wenn sie ungeordnet sind, aber sobald sie auf den Feind treffen und immer noch ungeordnet sind, werden sie zerbröseln.
Was mich anfangs etwas beunruhigte, war die mögliche Reichweite der Musketen, aber in der Praxis schossen die Einheiten entweder aus nächster Nähe oder auf kurze Distanz. Nicht zuletzt deshalb, weil der erste Schuss in diesem Spiel einen massiven Bonus auf das Schießen gibt. Den möchte man sich aufheben. Dem fiel letztlich nach der Flussüberquerung der Veteranen-Terzio Lorenz-Dittlbacher zum Opfer. Zwei First-Fire-Salven von zwei Tercios hätten den Veteranen-Tercio fast ausradiert. Natürlich hatten die Würfel auch eine Menge damit zu tun.
Ob das Szenario sehr ausgewogen war oder nicht, spielt keine große Rolle. Meiner Erfahrung nach sind die Verteidiger bei diesen Solo-Probespielen ohnehin im Vorteil. Erstens ist es schwieriger, einen sinnvollen Angriff zu planen, wenn man mit den Regeln nicht vertraut ist. Zweitens habe ich zwischen dem Durchblättern des Regelbuchs und dem Versuch, mir Reaktionen und so weiter auszudenken, nicht die geistigen Kapazitäten, um einen wirklich cleveren Plan auf die Beine zu stellen. (das ist natürlich einzig und allein in dieser einen Situation der Fall. 😛 )
Im Allgemeinen denke ich, dass Baroque kein allzu solofreundliches Spiel ist. Das kann man unterschiedlich sehen, aber mit dem Schwerpunkt auf der Spielbarkeit ohne Ausfallzeiten könnte ein Solospieler mit den Entscheidungen, die er für beide Seiten treffen muss, ein wenig überfordert sein.
Ich würde diese Regeln gerne noch einmal mit etwas späteren Pike&Musket-Formationen ausprobieren. Das sollte die Infanterie etwas aktiver machen. Mit den Beschränkungen der Tercio-Bewegung – die natürlich alle sehr sinnvoll sind – war das katholische Infanteriezentrum von Anfang an ein wenig behindert. Sobald ich mit den Regeln vertrauter bin, werde ich mehr Raum finden, um zeitspezifische Sonderregeln und verschiedene Szenarien zu nutzen, und ich denke, dass es dann richtig gut werden wird.
Die gedruckte Version des Buches ist beim Verlag, bei Frontline Games oder Battlefield Berlin in Deutschlad um rund EUR 30,00 erhältlich. Oder bei Amazon, aber die sind ja echt nicht cool. Die PDF-Version von Baroque kann auf Wargames Vault erstanden werden. Die Regeln sind in Englisch oder Italienisch erhältlich.
Ich hoffe, dass der Artikel euch gefallen hat und ihr ihn interessant fandet!