Sharp Practice: Kampagnenspiel 1

Und da sind wir wieder.

Letzte Woche hatte ich mein erstes Figurenspiel außerhalb meiner eigenen vier Wände seit 15 Monaten!

Cpt.Shandy ist dieser Tage irrsinnig aktib was das Organisieren und Planen von Spielen angeht. Dieser Umstand, kombiniert mit seiner Begeisterung für Sharp Practice, hat ihn dazu gebracht ein  System für Kampagnen auszuarbeiten, das er Star of Bravery (SoB) nennt. Hier in seinem Blog-Post schreibt er ausführlich über dieses System, die Idee dahinter und woher es kam.

 

Vorarbeit

Die Grundidee ist, dass jeder Spieler einen schneidigen jungen französischen Offizier im Feldzug gegen Österreich im Jahr 1809 spielt. In diesem Fall schlüpft Cpt.Shandy in die Rolle eines Offiziers eines leichten Infanterieregiments, ich spiele einen Offizier der Linieninfanterie. In der Kampagne spielen wir abwechselnd die französische und die österreichische Seite, wenn wir die Franzosen spielen, übernehmen wir die Rolle unseres Charakters. Die Kampagne wird sich in 5 Szenarien für jeden Spieler abspielen. In einem 6. Szenario kämpfen die Spieler in einem großen Spiel als Teil einer Schlacht Seite an Seite. Zwischen den Spielen gibt es die Möglichkeit für Zufallsereignisse und so weiter. Lauter gutes Rollenspielzeug.

sharp practice skirmish

Also haben wir uns hingesetzt, Charaktere ausgewürfelt und los ging’s mit dem ersten Szenario!

Ich spiele Capt. Charles Benés vom 2e Regiment d’Infanterie de la Ligne. Sohn eines Anwalts, der aus Böhmen ausgewandert ist. Während der Revolution hat sich Charles bis zum Capitaine der Infanterie hochgearbeitet. Im Herzen glaubt er an die Republik, aber er wird dem Kaiser pflichtbewusst auf seinem Kreuzzug folgen, Europa von der Unterdrückung durch die Monarchen zu befreien. Charles ist von durchschnittlicher Statur, ein ehrenwerter Kerl, gut aussehend und ein Charmeur. Außerdem: ein geschickter Reiter, auch wenn sein Pferd kürzlich von der Kavallerie requiriert wurde.

Ziel der Kampagne ist es, durch Heldentaten im Kampf so viel „Ehre“ wie möglich zu sammeln.

 

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„Du weißt schon, dass es ein absolut feines Kampagnenregelwerk für Sharp Practice gibt, oder?“ – „Ja schon, aber…“

Natürlich gibt es ein hervorragendes Sharp Practice-Erweiterungsbuch namens Dawns&Departures für Kampagnenspiele, aber Cpt.Shandy war darauf aus, einen etwas anderen Ansatz für die ganze Kampagnen-Sache zu versuchen. Diese ist mehr an das Longstreet-Kampagnensystem angelehnt, mit noch mehr Fokus auf dem Rollenspielaspekt und weniger auf Truppenmanagement oder -manöver. Ziemlich passend für ein Skirmishspiel, würde ich sagen.

 

Das Szenario

Das Spiel findet direkt zu Beginn der österreichischen Offensive in Bayern (und so ziemlich überall sonst auch) statt. Die französische Armee wird überrumpelt und muss die Österreicher aufhalten, wo es nur geht. Das erste Szenario ist „Defense in Depth“ (Verteidigung in der Tiefe), wie im SP2-Regelwerk beschrieben.

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Links kommen die Österreicher rein, Ziel ist der frazösische Deployment Point (also der Punkt, über den Truppen den Tisch betreten). Außerdem haben die Franzosen einen zweiten Deployment Point im Wald.

 

Das Ziel der Österreicher ist es, den französischen Deployment Point (Aufmarschpunkt) einzunehmen. Das Ziel der französischen Seite ist es, den Feind daran zu hindern und den Angriff abzuwehren, indem der Feind gezwungen wird, sich zurückzuziehen oder seine Truppenmoral so weit zu reduzieren, dass sie nicht weiterkämpfen können.

 

Das Spiel

Meine Streitmacht besteht aus zwei Einheiten Voltigeurs und fünf Einheiten Linieninfanterie. Mein Plan ist es, den Feind sofort zu treffen, seinen Manövrierraum so weit wie möglich einzuschränken und ihn daran zu hindern, überhaupt auf de, Tisch Fuß zu fassen. En avant!

Die gesamte österreichische Streitmacht zusammen mit ihrem Kommandanten (der eine Regimentsfahne, ein hübsches Pferd und einen Trommler dabei hat!) betreten recht flott den Tisch. Ich stelle so schnell wie möglich eine meiner Voltigeurseinheiten im Wald auf. Aus der Deckug des Waldrandes eröffnen sie das Feuer auf die Wiener Freiwilligenjäger im Kornfeld und verursachen leichten Schaden. Völlig überzeugt davon, dass sie die Herzen der freiwilligen Truppen in Angst und Schrecken versetzt haben (und ohne die Infanterielinie zu sehen), stürmen meine tapferen Voltigeure aus dem Wald, um den Feind zu vertreiben (Random Event).

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Aus dem Wald, direkt über’s offene Feld auf den 3:1 überlegenen Feind zu. Das nenne ich motiviert!

Die Jägers sind weniger beeindruckt als erwartet und erwidern das Feuer auf kurze Distanz. Dank einer Menge Glück werden meine Voltigeure kaum angekratzt.

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Die Voltigeure geben ihrerseits noch eine Salve ab und laufen zurück in die Deckung des Waldes. Währenddessen rückt meine zweite Voltigeur-Einheit aus und gibt Deckungsfeuer.

Hier ist ein Überblick über den Verlauf der Schlacht:sharp practice skirmish

Oben links seht ihr das Ergebnis des Zusammenstoßes der Plänkler in der frühen Phase: Meine Voltigeure schaffen es sicher zurück in den Wald. Die österreichischen Jäger haben ziemlich viel einstecken müssen und beschließen, sich hinter die Infanterie im Kornfeld zurückzuziehen und sich neu zu formieren.

Der Feind kommt irgendwie nicht voran, so beschließe ich, dass es ein guter Zeitpunkt ist, meine eigene Infanterie ins Spiel zu bringen und sie vorrücken zu lassen, um Boden zu gewinnen. Capt. Charles Benés marschiert an der Spitze der Linie, unterstützt von seinem zuverlässigen Stellvertreter, Sergeant Guy Bonhomme.

Natürlich merkt der Feind, dass alle meine leichten Truppen auf der anderen Flanke eingesetzt sind, also schickt der österreichische Kommandant seine leichten Truppen die rechte Flanke hinter dem Gebäude hinunter, um meine Linie zu bedrängen.

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Die österreichischen Plänkler lugen um die Ecke. Noch können sie kein effektives Feuer eröffnen, aber ihre Zeit wird kommen.

Der österreichische Kommandant formiert seine drei Infanteriegruppen in Linie um, während meine eigene große Infanterieformation träge die Straße entlang auf sie zumarschiert.

Die anderen beiden österreichischen Linieneinheiten stellen sich mit ihren Kameraden in einem Winkel auf, um meine Voltigeure in Schach zu halten. Uheimlich. Also schicke ich eine meiner Voltigeurseinheiten so schnell wie möglich in die Flanke der feindlichen Linie.

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Nicht sehr schnell, aber gerade weit genug, um nicht von Feindfeier erwischt zu werden. Ihre Musketen sind momentan noch ungeladen, aber bald sind sie bereit, den Gegner in der Flanke zu ärgern.

Währenddessen wird es in der Mitte spannend. Cpt.Benés ignoriert die österreichischen Plänkler hinter dem Gebäude und treibt seine Männer an, immer weiter auf den Feind zuzuhalten. Ich möchte nah rankommen, bevor die erste Salve abgegeben wird.

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….und das funktioniert sogar! Jede Menge Verluste bei der österreichischen Hauptlinie, die es nicht ganz geschafft hat, ihre Salve rechtzeitig vor den französischen Soldaten abzufeuern. Es sieht im Moment ziemlich gut aus. Ein oder zwei weitere Salven sollten genügen. Die österreichischen Plänkler rücken hinter meiner Linie vor und geben sehr unangenehmes Feuer in deren Rücken ab, aber die schiere Masse absorbiert die Wirkung ihres Feuers.

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Dann erkennen die österreichischen Plänkler ein ziemlich entscheidendes Detail an der ganzen Situation: Meine Infanterie hat sich über den Tisch bewegt, um den Feind zu treffen, meine leichten Truppen sind auf der anderen Flanke unterwegs, und das Ziel des Spiels ist es, den französischen Deployment Point (Aufstellungspunkt) einzunehmen. Wie sich die momentane Lage darstellt, müssen die Plänkler nur rüberlaufen, und meinen unverteidigten Deployment Point einnehmen

Hier ist eine Übersicht nach dieser Erkenntnis, die das Spiel ein wenig verändert.

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Oben links: die französischen Voltigeure stürmen aus dem Wald und beginnen, die beiden feindlichen Infanteriegruppen in der Flanke zu beschießen, bis deren Formation zerbricht. Ganz links sind die österreichischen Jäger wieder einsatzbereit  und eröffnen das Feuer auf meine weit entfernten Voltigeure. Wieder habe ich Glück und die Voltigeure nehmen nur einen Verlust hin.

Mitte: Die österreichischen Linieninfanterie-Einheiten werden durch die französische Salve schwer angeschlagen. Aber die österreichischen Plänkler sind auf dem besten Weg zum französischen Aufmarschplatz. Sobald sie ankommen, endet das Spiel sofort.

Alles was ich tun kann ist meine Voltigeure aus dem Wald in Richtung der feindlichen Plänkler zu schicken. Ihre Musketen sind jedoch ungeladen und sie haben nicht einmal Zeit zum Nachladen. Sie können nur zusehen, wie die feindlichen Plänkler auf ihr Ziel zustürmen.

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Nachdem ich so ziemlich aufgegeben habe, das Szenario tatsächlich zu gewinnen (die Moral der feindlichen Streitkräfte liegt zu diesem Zeitpunkt bei 9), befehle ich meiner Linie, den Feind anzugreifen. Ich will, dass die feindliche Linie durchbrochen wird, ich will diese Fahne, ich will, dass der feindliche Offizier gefangen genommen wird, und ich will sein hübsches Pferd!

Der Bajonettangriff gerät zum Gemetzel. Die feindlichen Einheiten sind alle knapp, aber immer noch bei 50% ihrer ursprünglichen Mannstärke, und keine nennenswerten Schockpunkte. Trotzdem schaffen es meine Truppen, die des Feindes zu schlagen. Capitaine Benés rennt auf den Fahnenträger zu, bereit, jeden Widerstand in Stücke zu hacken und sich die Fahne zu schnappen. Leider stellt sich ihm der österreichische Kommandant von Eynhuf in den Weg, der seine Fahne unbedingt behalten will. Es ist Zeit für ein Duell!

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Von Eynhuf beherrscht sechs Sprachen, darunter die Sprache des blitzenden Stahls. Das Duell läuft alles andere als gut. Charles landet nicht einmal einen Treffer und wird im Grunde vorgeführt. Während das Bürgertum die Grundlage für den modernen Nationalstaat schuf hat der Adel Fechten geübt. Das zeigt sich hier. Letztendlich müssen sich die Österreicher zurückziehen, aber sie tun dies mit einem unversehrten Kommandanten und mit ihrer Fahne in der Hand.

Ich hatte wirklich erwartet, dass mehr dabei herauskommen würde. Doch durch einen glücklichen Zufall zerschlägt die verwüstete Infanterielinie die Moral der österreichischen Truppen und reduziert sie auf Null!

Ein französischer Sieg!

 

Kampagnenphase

Am Ende schaffte es mein Charakter, neben dem Sieg im Szenario auch noch ein oder zwei Heldentaten zu vollbringen. Das hat mir eine ganze Menge Ehrenpunkte eingebracht und den guten Charles sogar in die Legion d’Honneur befördert!

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Quelle: Wikipedia

Auf der anderen Seite musste ich eine Handvoll Ehrenpunkte wieder abgeben: Nach dem Duell verlangte unser Cpt.Benés nach bester medizinischer Betreuung. Er hatte Glück, denn ein Mediziner (Hypolite Pincecourt) war zufällig in der Nähe. Er stellte schnell fest, dass Charles‘ Ego mehr verletzt war als sein Körper. Kurz zuvor hatte Benés sich von Sergeant Bonhomme tränenreich versprechen lassen, im Falle seines Ablebens nach diesem blutigen Duell ein Paket mit Briefen an einige junge Damen zu schicken. Nach der Diagnose, dass Cpt.Benés nur einige leichte Kratzer davongetragen hatte gab Bonhomme kommentarlos die Briefe zurück.  Einige der Soldaten bekamen die peinliche Szene mit, daher der Verlust einiger Ehrenpunkte.

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Cpt. Charles Benés genießt ein Pfeifchen um die Nerven zu beruhigen. (Quelle: French; 36th Line Infantry, Officers, 1808-14 von J.M.Bueno)

Der Arzt ist eines der möglichen Zufallsereignisse. Jedes davon führt zu einer Entscheidung, die der Spieler zu treffen hat. In diesem Fall fordert der Doktor Hilfe bei der Behandlung der Verwundeten. Meine Wahl war, sie entweder in Ruhe zu lassen und jemand anderen sich um sie kümmern zu lassen, Einheimische zu überreden, den Job zu erledigen, oder einige meiner eigenen Männer abzukommandieren, um das zu tun. Die erste Option hätte mich Ehre gekostet, bei der zweiten Option hätte die Chance bestanden, dass die Einheimischen die Verwundeten plündern und sie einfach zurücklassen, die dritte Option verzögert den Einsatz einer meiner Einheiten im nächsten Spiel. Letzteres war meine Wahl. Außerdem: Hypolite Pincecourt ist jetzt ein Freund meines Charakters geworden; das wird sicher nochmal nützlich sein.

 

Nachbesprechung

Und das war’s! Sharp Practice macht immer Spaß, bei mir hat es ziemlich gut funktioniert (naja, ich habe sehr, sehr knapp gewonnen, aber immerhin). Das Duell hat nicht so gut funktioniert. Die Fahne und den Offizier zu erbeuten, wäre ein toller Moment gewesen. Auf der anderen Seite konnte ich in letzter Sekunde das Spiel noch gewinnen, UND wurde gleich in die Ehrenlegion aufgenommen. Also kann ich mich echt nicht beschweren.

 

Es war sehr nett, mal wieder ein richtiges Spiel zu spielen, und es war besonders schön, Cpt.Shandys Napoleon-Sammlung zum ersten Mal in natura zu sehen. Die Figuren sehen wirklich sehr hübsch aus. Er sammelt immer beide Seiten, was natürlich gewisse Dinge einfacher macht.

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“Unser Capitaine hat sich gut geschlagen, was? Ein wagemutiger Gegenangriff, und die Kaiserlicks sind gerannt!” – “Jaja, wart nur ab bis du siehst was die leichte Infanterie kann, Kamerad.” (Bild von: Dionisio Alvarez Cueto)

Ich freue mich auf die nächste Partie, in der wir das Debüt von Capt. Camille Cruchon vom 24e regiment d’infanterie légère sehen werden. Dann werde ich erstmals die Österreicher spielen. Sollte interessant werden, da sich die ein wenig anders spielen als die Franzosen. Mehr dazu beim nächsten Mal!

 

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